Embleme Musik-Edition Lucie Galland Musik-Edition Lucie Galland




Fromental Halévy
(1799-1862)

La Juive · Die Jüdin
Oper in fünf Akten. Text von Eugène Scribe



PERSONEN

Prinzessin Eudoxie, Nichte des Kaisers....................................................
Rachel, Éléazars Tochter..........................................................................
Der Jude Éléazar.....................................................................................
Kardinal Jean-François de Brogny, Präsident des Konzils........................
Léopold, Reichsfürst................................................................................
Ruggiero, Großvogt der Stadt Konstanz...................................................
Albert, Unteroffizier der kaiserlichen Leibwache.......................................
Waffenherold des Kaisers........................................................................
Offizier des Kaisers.................................................................................
Majordomus des Kaisers........................................................................
Ein Henker.............................................................................................
2 Männer aus dem Volk.........................................................................
Kaiser Sigismund....................................................................................
Vertrauter des Heiligen Offiziums............................................................
Sopran
Sopran
Tenor
Baß
Tenor
Baß
Baß
Baß
Tenor
Baß
Baß
Tenor, Baß
stumme Rolle
stumme Rolle

Chor, Statisterie:
Kurfürsten, Reichsherzöge und -herzoginnen, Reichsfürsten und -fürstinnen, Ritter, Edeldamen, Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensbrüder, Büßerinnen, Vermummte, Bannerträger, Offiziere, Herolde, Soldaten, Gefolge des Kaisers, Bürger und Bürgerinnen von Konstanz, Juden, Jüdinnen, Volk, Henker, Ballett (im I. Akt; große Ballettpantomime im III. Akt.)

Orchesterbesetzung: Picc, 2, 2 (Eh), 2, 2 - 4 (2 à pist), 4 (2 à pist), 3, Oph - Pk, Schlg - Hfe, Org, 2 Git - Str
Bühnenmusik: Trommel, Glocken in g und c“


Der am 27. Mai 1799 in Paris geborene französische Komponist Fromental Halévy war der älteste Sohn eines bald nach der großen französischen Revolution von Fürth nach Paris eingewanderten Deutschen. Zeit seines Lebens war, außer seinem »Meister und Freund« Cherubini, der Musikdramatiker Mozart sein künstlerisches Vorbild.

Die Erfolge der zahlreichen von Halévy komponierten Bühnenwerke verteilen sich mit einem selten anzutreffenden Gleichgewicht auf die Pariser Opéra wie auf die dortige Opéra-Comique. Bereits im Frühjahr 1838, nach den sehr beifällig aufgenommenen Vorstellungen von Guido et Ginévra, sah ihn Théophile Gautier – »an der Spitze der französischen Schule« – neben Auber. Weiterhin seien nur La Reine de Chypre (1841), die Richard Wagner 1842 jungen Opernkomponisten als »unverrücktes Vorbild« empfahl, und Le val d’Andorre (1848), eine komische Oper, genannt. Über letztere schrieb Berlioz in seiner Uraufführungskritik: »Ich glaube, dies ist ein Meisterwerk«.

Dennoch begründete allein der große und anhaltende Erfolg seiner fünfaktigen Oper La Juive, komponiert auf einen Text Eugène Scribes und am 23. Februar 1835 in der Pariser Oper uraufgeführt, europaweit Halévys Ruhm und Nachruhm. Wie die gleichzeitig entstandene, wenn auch erst ein Jahr später aufgeführte Oper Les Huguenots (Text Eugène Scribe, Musik Giacomo Meyerbeer) entsprang La Juive ganz besonderen geschichtlichen Umständen.

Die Pariser Juli-Revolution des Jahres 1830 hatte der Restaurationszeit, die in ihren letzten Jahren auch durch starke klerikale Tendenzen gekennzeichnet war, ein gewaltsames Ende gesetzt. Unter der Herrschaft der nunmehr tonangebenden liberalen, oft auch voltairianisch gesinnten Bourgeoisie wurden bald darauf von der Pariser Oper unter der Leitung des neuen »Unternehmer-Direktors« Louis Véron, der seinerseits von dem Bankier Marquis d’Aguado finanziell abhängig war, zwei großangelegte Bühnenwerke in Angriff genommen, die geeignet waren, einem breiten Publikum vor Augen zu führen, auf welch abstoßende Weise die (katholische) Kirche einst mit heterodoxen Minderheiten umsprang. Das entscheidende Moment des tragischen Ausgangs beider Werke ist jedoch weniger die physische Vernichtung von Angehörigen religiöser Minderheiten als vielmehr deren ausdrückliche Wahl des Märtyrertodes unter verachtungsvoller Zurückweisung der lebensrettenden Konversion. Diese in heroischer Selbstüberschreitung besiegelte Teilhabe an einer »besonderen«, jüdischen oder protestantischen Religionsgemeinschaft stellte einen unbezweifelbaren moralischen Sieg über die »eine, allgemeine« Kirche dar und ließ die Juive schon den Zeitgenossen als eine »Apotheose des Judaismus« erscheinen – so Louis de Bonald (1836) und Philarète Chasles (1845). Folgerichtig bekämpfte die legitimistisch ultramontane Pariser Presse die Oper anhaltend und mit Erbitterung, doch das Publikum nahm die Juive alsbald »unter seinen allmächtigen Schutz«, wie Jules Janin am 9. März 1835 im Journal des débats schrieb.

Da der Wechsel der Bühnenbilder und Kostüme, die in der Pariser Oper eine »wahre Auferstehung des Mittelalters« bewirkten, mehrere Pausen von jeweils gut dreiviertelstündiger Dauer zur Folge hatte, wurde die nun überlange Juive dort nach der Uraufführung ausgedehnten Kürzungen unterzogen. Diese wurden in der bereits im Jahre 1835 von Schlesinger veröffentlichten Orchesterpartitur berücksichtigt, nicht jedoch in den Klavierauszügen der Juive, die in Paris zu Lebzeiten des Komponisten aufgrund der lebhaften Nachfrage von verschiedenen Verlegern auf den Markt gebracht wurden. In ihnen tritt uns eine vollständigere Gestalt des Werks entgegen, die, abgesehen vom Fehlen zweier Rezitative, genau mit dem Autograph des Komponisten übereinstimmt. So lag es nahe, auch diese Juive als Orchesterpartitur der Musikwelt zugänglich zu machen, was nunmehr durch die Neuedition geschehen ist.

Nach den Aufführungen der erheblich gekürzten Oper in deutscher (Bielefeld 1988, Nürnberg 1993, Dortmund 1995) und französischer Sprache (Ludwigshafen 1997) mag nun die Zeit gekommen sein, das Publikum erneut mit Scribes und Halévys Juive, die Gustav Mahler »zu dem Höchsten, was je geschaffen worden ist« zählte, in unverkürzter Gestalt zu konfrontieren.

Karl Leich-Galland



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